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Roter Faden für Brexit-Verhandlungen: Interessen der Bürger müssen Priorität haben

Nach dem heutigen Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschef*Innen mahnen die Europaabgeordneten Helmut Scholz und Cornelia Ernst an, den Interessen der Bürger*Innen in den Verhandlungen höchste Priorität einzuräumen: "Es ist zu begrüßen, dass auch die Leitlinien zu den Gesprächen mit London diese Prämisse setzen. Allerdings muss das Europäische Parlament auch auf deren tatsächliche Umsetzung drängen können.“

Helmut Scholz, Mitglied im Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO): „Die Rechte der EU-BürgerInnen sowohl in Großbritannien als auch der britischen BürgerInnen in anderen EU-Staaten müssen umfassend gewährleistet werden. Das betrifft nicht nur die Personenfreizügigkeit, sondern den gesamten sozialen Bereich. Angesichts der Dominanz wirtschafts- und finanzpolitischer Aspekte in den Leitlinien und Erklärungen von Premierministerin May und Bundeskanzlerin Merkel steht jedoch zu befürchten, dass die Interessen der Menschen unter die Räder geraten könnten.

Es muss verhindert werden, dass die grundlegenden Rechte der Bürgerinnen und Bürger weder vom Vereinigten Königreich noch von der EU als Faustpfand in den Verhandlungen eingesetzt werden, um in anderen Bereichen, wie dem gegenseitigen Marktzugang oder bei finanziellen Fragen, Vorteile zu erlangen.“

Cornelia Ernst, Sprecherin der Delegation DIE LINKE. im Europaparlament: „Bei Wahrung der Rechte der Menschen, geht es nicht einzig um die Wahrung der Rechte von und für EU-Bürger*Innen, sondern auch um die Wahrung der Grundrechte aller Menschen, damit meine ich explizit auch die Sicherstellung eines würdevollen Umgangs mit Menschen aus Drittstaaten, also vor allem Flüchtlingen, Asylbewerber*Innen und Migrant*Innen. Diese Personengruppen finden kaum Erwähnung beim Warmlaufen der EU-Verhandler*Innen. Wir sollten bei allem EU-Zentrismus nicht vergessen, dass auch Nicht-EU-Bürger*Innen Rechte, sowie auch Nicht-EU-Staaten Verpflichtungen gegenüber jenen Menschen haben.“

Die spezifische Situation auf der irischen Insel ist die zweite wichtige Prämisse.

Helmut Scholz weiter: "Generell sind zwischen Nord und Süd in den vergangenen Jahren vielfältige gesellschaftliche und wirtschaftliche Verflechtungen entstanden. Neue Wertschöpfungsketten in Landwirtschaft und Industrie oder Kooperationsformen im Gesundheitswesen würden durch den Brexit durchschnitten, womit sich die Lebenssituation vieler Menschen rapide verschlechtern und alte Konflikte neu aufflammen könnten.“

„Ein Beispiel dafür sind die fast 300 Übergänge zwischen Irland und dem Inselnorden, die täglich von bis zu 25.000 Menschen passieren. Es ist keine zu akzeptierende Alternative, dass es wieder Grenzen, die durch Dörfer und Familien gehen, dass es erneut Kontrollstellen und Zölle geben wird. Wenn die Leitlinien der Kommission dazu aufrufen, flexible und kreative Lösungen für dieses Problem zu suchen, kann dies nur in einem EU-Sonderstatus des Nordens der irischen Insel bestehen. Das ist auch eine Frage von Frieden und gesellschaftlicher Stabilität, die an dieser künftigen Außengrenze der EU bedacht und konzipiert werden muss.“

Zugleich mahnen die LINKE-Europaabgeordneten an, Großbritannien nicht aus internationalen Verpflichtungen zu entlassen, insbesondere jenen, die zur Überwindung des Nord-Süd-Gefälles, von Armut und Unterentwicklung und zur Umsetzung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung beitragen sollen.

„Wenn die Verhandlungsgruppe unter Michel Barnier entsprechend der Leitlinien auch über die Folgen des Brexits für multilaterale Verträge und Abkommen sprechen will, gehören diese Fragen mit auf den Tisch“, so Helmut Scholz.

Cornelia Ernst: „Ebenso sollten wir darauf achten, dass Großbritannien seine Verantwortung in internationalen Konflikten und im Klimaschutz wahrnimmt, das betrifft die Einhaltung von Export-Beschränkungen für Waffen und Überwachungstechnologie ebenso wie die Einhaltung von Klimazielen oder die Zusammenarbeit zwischen britischen und Geheimdiensten anderer EU-Mitgliedstaaten. Hier müssen wir sicherstellen, dass das künftige Verhältnis zu den britischen Geheimdiensten kein zusätzliches Bandespiel für jene der EU-Staaten ermöglicht.“

Angesichts des großen Umfangs der Verhandlungen und bisher fehlender Erfahrungen mit Austritten nach Paragraf 50 EU-Vertrag sprechen sich Helmut Scholz und Cornelia Ernst dafür aus, das Europäische Parlament in den nun beginnenden Verhandlungen umfassend einzubinden, auf dem Laufenden zu halten und zu konsultieren:

„Das ist nicht nur wichtig, weil das EU-Parlament dem ausgehandelten Austrittsabkommen zustimmen muss. Es wäre auch ein wichtiges Signal für mehr Transparenz, Demokratie und eine klare Absage an Hinterzimmerdiplomatie. Leider haben wir Abgeordnete gerade in letzter Zeit bei den Freihandelsverträgen mit Kanada und den USA erlebt, dass das Parlament offensichtlich ausgebremst werden soll. Ein klarer Verweis auf die Rolle des Parlaments ist deshalb unbedingt noch in die Leitlinien zu den Brexit-Verhandlungen einzubauen“, so Helmut Scholz abschließend.

Und Cornelia Ernst unterstreicht: „Das Aushandeln eines künftigen Verhältnisses und das Bekenntnis zu einer neuen gemeinsamen Sicherheitspolitik dürfen nicht der kleinste gemeinsame Nenner der verbleibenden EU-27 bleiben. Die Lehre des Brexit muss heißen, mehr Öffentlichkeit für Europapolitik herzustellen um den Gesellschaften mehr Teilhabe an einer transparenten EU zu ermöglichen. Ohne europäische Solidarität in allen gesellschaftlichen Bereichen ist der vielbetonte ‚Zusammenhalt‘ nicht mehr als eine Durchhalteparole.“


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