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Landrätin Kornelia Wehlan (Foto: Pressestelle Landkreis Teltow-Fläming)

"Ich habe keine Angst"

Wenn Kornelia Wehlan am Montag zur Landrätin von Teltow-Fläming ernannt wird, ist sie die erste Frau in Brandenburg in diesem Amt. Im MAZ-Gespräch erläutert sie, wie sie sich ihren Dienstantritt vorstellt und wie sie das schwierige Thema Personalabbau und angehen möchte.

MAZ: Frau Wehlan, am 14. Oktober werden Sie offiziell zur ersten weiblichen Landrätin in Brandenburg ernannt. Was bedeutet Ihnen dieses Datum?

Kornelia Wehlan: Es ist ein neuer Lebensabschnitt. Wenn ich an die vergangenen 14 Jahre im Landtag denke, überkommt mich schon ein wenig Wehmut. In den vergangenen 14 Tagen habe ich jedenfalls viele Schlüssel abgegeben. Aber ich staune über mich selbst. Ich hatte das Gefühl, dass die Fraktion mehr Probleme damit hat loszulassen als ich.

Haben Sie denn schon mal in Ihrem neuen Büro Probe gesessen?

Wehlan: Nein, noch nicht. Ich weiß aber schon, dass ich das Büro gefälliger für die Mitarbeiter gestalten will.

Wollen Sie das Büro neu ausstatten?

Wehlan: Die Möbel bleiben die selben, sie genügen den funktionellen Anforderungen. Ich will aber näher an die Mitarbeiter heran, was ja angesichts der teilverglasten Türen leicht möglich ist.

Und wie wollen Sie den 14. Oktober – dienstlich – beginnen?

Wehlan: Ich werde den Tag mit einem freundlichen „Guten Morgen“ an die Mitarbeiter beginnen. Dazu will ich nicht den Kreistagssaal nutzen, sondern das Foyer. Bei den Neujahrsempfängen gefällt mir dessen offene Atmosphäre.

Wissen Sie schon, was Sie in dieser ersten Rede als Landrätin sagen werden?

Wehlan: Ein paar Bausteine dazu habe ich schon im Kopf. Man wacht nachts auf, und da fällt einem dann wieder was ein. Aber zum Inhalt werde ich jetzt nichts sagen, den sollen die Mitarbeiter als Erste erfahren. Und um 16 Uhr werde ich dann im Kreistag ernannt und leite danach um 17 Uhr gleich die Sitzung des Kreisausschusses – also ein volles Programm.

Die Probleme des Landkreises sind hinlänglich bekannt: hohe Schulden, unzufriedene Mitarbeiter, schlechtes Miteinander mit den Kommunen beziehungsweise deren Bürgermeistern. Was wollen Sie als erstes angehen?

Wehlan: Das freundliche „Guten Morgen“ an die Mitarbeiter ist ja nicht zuletzt als Motivation gedacht. Man muss sich mal vorstellen, was für eine Stimmung in einer Verwaltung herrscht, in der drei Jahre lang gegen den Chef ermittelt und dieser anschließend abgewählt wird. Die Verwaltung hat das Recht, dass ich ihr besondere Zuwendung gebe. Schließlich gibt es hier viele Probleme. Mitarbeiter sahen keine Perspektive, waren unzufrieden. Verdi hatte direkt vor der Wahl des Landrats im Kreistag eine Petition übergeben. Es ist einfach wichtig, dass die Mitarbeiter und der Betriebsrat mehr einbezogen werden. Ich sehe bei diesem Thema eine große Chance für mehr Transparenz und Offenheit.

Sie müssen aber auch so ein kniffliges Thema wie den Personalabbau ansprechen. Immerhin hatte das vom Kreistag beauftragte Gutachten der Unternehmensberater von Pricewaterhouse Coopers vor allem dort Einsparpotenziale ausgemacht.

Wehlan: Nun, dieses Gutachten ist eine Grundlage für die weitere Arbeit, aber kein Dogma. Ich bin zwar schon von meiner Parteizugehörigkeit her besonders sozial angehaucht, aber ich scheue mich keineswegs, das Thema Personalabbau anzugehen. Dafür muss es aber ein Personalentwicklungskonzept geben. Laut dem Gutachten sollen bis 2019 rund 145 Stellen abgebaut werden. Jede Strukturveränderung ist mit Chancen verbunden. Wichtig wird es sein, die Mitarbeiter weiter zu qualifizieren. Aber um Personalentscheidungen werden wir nicht herumkommen.

Das Gutachten muss man ja wohl als große Chance des Kreises sehen, überhaupt von den Schulden runterzukommen – auch wenn es in der Verwaltung, so war es in Ausschüssen zu hören, auch viel Ablehnung für die dortigen Vorschläge gibt.

Wehlan: Fraktionen haben den Beschluss für die Umsetzung des Gutachtens auf dem Weg gebracht, nicht die Verwaltung. Daran fühle ich mich gebunden. Es geht darum, die Verwaltung modern zu gestalten und sie fitter zu machen. Im Gutachten ist der Bereich Jugend-Bildung besonders herausgestellt. Dieser sollte künftig nicht mehr separat laufen und könnte wieder der Ersten Beigeordneten zugeordnet werden. So war es ja schon einmal und es war klar, dass der Dezernatsbereich mit Horst Bührend eine befristete Lösung ist. Im Übrigen muss man den Personalrat in solchen Fragen mehr einbeziehen als mein Vorgänger das tat, da habe ich eine andere Bindung.

Wo wollen Sie konkret sparen?

Wehlan: Da bitte ich doch um die üblichen 100 Tage, um eine Chance zu bekommen, mir ein genaues Bild zu machen.

Und welcher Bereich ist so wichtig, dass man dort gar nicht sparen kann?

Wehlan: Am Feuerwehrtechnischen Zentrum in Luckenwalde sollen laut Gutachten fünf der sechs Stellen abgebaut werden. Dann kann man das gleich dicht machen. Oder bei fünf Prozent freiwilligen Leistungen im Haushalt. Damit rettet man den Haushalt nicht. Aber natürlich gehört auch das auf den Prüfstand.

Die Verwaltung ist unter der fast 20-jährigen Führung eines SPD-Landrats durchaus parteipolitisch geprägt. Haben Sie Sorge, dass diese Kollegen sie vor die Wand laufen lassen?

Wehlan: Ich habe keine Angst. Ich bin eher hoffnungsvoll, da ich viele positive Signale aus der Verwaltung empfangen habe – auch aus der höchsten Ebene.

Sie werden aber gleich mit einem besonders schwierigen Thema starten müssen, dem Haushalt.

Wehlan: Bei dem anstehenden Doppel-Haushalt sehe ich kein Problem für dieses Jahr. Da wir keinen Etat im Kreistag beschlossen haben, konnten wir auch nicht zu viel Geld ausgeben. Beim 2014er-Haushalt will ich erste Akzente mit einer Personal- und Verwaltungsstrukturreform setzen. Ich bin interessiert, wie die Diskussion dazu in der Verwaltung verlaufen wird. Die Verwaltung hatte es sich in der Vergangenheit ja oftmals einfach gemacht, wenn sie bei Kritik aus den Fraktionen zum Sparen nur sagte, dass doch die Politiker Vorschläge machen sollen. Aber egal welche Fraktion, sie können nicht leisten, was ein 700-Mann-Apparat wie die Verwaltung leisten kann. Ich werde auf jeden Fall Eckpunkte formulieren. Und die Kämmerei wird zeigen, warum man sie haben muss.

Ihre Kritik an der Kämmerei fällt noch moderat aus, andere Kreistagsmitglieder sehen das kritischer. Können Sie mit der Kämmerin noch vertrauensvoll zusammenarbeiten?

Wehlan: Das werde ich nicht über die Presse diskutieren. Es steht aber fest, dass die Qualität von Haushalts-Diskussionen wichtig ist. Da habe ich in den vergangenen Jahren deutliche Reserven gesehen.

Die Zusammenarbeit mit den Bürgermeistern werden Sie auch verbessern müssen.

Wehlan: Von den meisten Bürgermeistern habe ich deutliche Signale erhalten, dass sie sich auf die Zusammenarbeit freuen. Ich habe meine Kontakte mit ihnen ja nicht auf dem Neujahrsempfang geknüpft, die Leute kennen mich aus der praktischen Arbeit vor Ort, und das seit Jahren.

Und wie wird es mit Ihrem ehemaligen Mitbewerber, dem Ludwigsfelder Bürgermeister, Frank Gerhard, von der SPD laufen?

Wehlan: Ich denke nicht, dass es da irgendwelche Probleme gibt. Es gibt doch einen natürlichen Respekt vor Leuten, die ein schweres Amt haben.

Apropos SPD – wie sieht es aus mit einer Koalition im Kreistag? Mit der Linken allein verfügen Sie ja über keine Mehrheit.

Wehlan: Bis zur Kommunalwahl im kommenden Frühjahr wird es keine Koalition geben, schon aus Gründen der Wahltaktik. Und ich werde das zu spüren bekommen, ich weiß um die Möglichkeiten, die ein Kreistag hat. Wahltaktisch. Ich möchte eine transparente Verwaltungsarbeit und Zusammenarbeit mit allen Fraktionen.

Was halten Sie eigentlich von den, sagen wir mal, Verschwörungstheorien um Ihre Wahl? Haben Sie oder Ihre Partei Grünen oder FDP etwas versprochen?

Wehlan: Ich habe geschmunzelt, als ich das gelesen habe. Das muss man gar nicht kommentieren – es gibt kein Bündnis. Es hat sich doch nur gezeigt, dass eine Mehrheit möglich ist für eine Person, die man kennt – und das nicht nur aus politischen Debatten. Es war auch keine Entscheidung gegen Herrn Fredrich (den Kandidaten von SPD und CDU). Und die kleinen Fraktionen haben sich eben ein Stück weit emanzipiert. Sie haben ein neues Selbstbewusstsein, und das lässt mich für das Miteinander im Kreistag hoffen.

Alles, was Sie sagen, klingt nach Neustart. Dabei haben doch auch Sie den mittlerweile abgewählten Landrat Giesecke mitgetragen.

Wehlan: Es gibt im Kreistag keine Fraktion, die nicht mit der SPD in Verantwortung gewesen wäre. Wir haben versucht, aus der Not eine Tugend zu machen. Vielleicht hätte man mehr unternehmen müssen, aber das ist als ehrenamtliche Abgeordnete schwer.

Der Verzicht auf welches Ihrer Ämter fiel Ihnen jetzt am schwersten?

Wehlan: Das Mandat als Stadtverordnete in Luckenwalde. Ich hatte es seit 23 Jahren. Das ist ein Stückchen Heimat.

Im kommenden Jahr gibt es ein Super-Wahljahr mit Kommunal-, Europa- und Landtagswahl. Wie wollen Sie damit umgehen?

Wehlan: Ich werden mich bemühen, die Sachprobleme in den Mittelpunkt zu stellen. Im Übrigen sind auf unserer Ebene doch eigentlich alle Parteien Opposition. Als Landrätin werde ich mich jedenfalls zurückhalten. Ich werde den Parteivorsitz der Linken im Kreis niederlegen. Der Landrat ist für die Bürger da, weniger für seine Partei. Die Verwaltung ist Dienstleister.

Interview: Lothar Mahrla und Ekkehard Freytag, erschienen in der Märkischen Allgemeinen Zeitung am 8. Oktober 2013


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